Die beruflichen Schulen bieten allen jungen Menschen mit und ohne Behinderung, Beeinträchtigung, Benachteiligung und chronischer Erkrankung die Chance, alle weiterführenden schulischen Abschlüsse bis hin zur allgemeinen Hochschulreife zu erlangen.
Zur Erfüllung der Anforderungsprofile im breiten Spektrum der Bildungsgänge an beruflichen Schulen braucht es im Schulalltag und den Prüfungssituationen gegebenenfalls Maßnahmen und Vorkehrungen zum Ausgleich von Nachteilen und zur Deckung von Förderbedarfen.
FAQ zum Nachteilsausgleich
Häufige Fragen und Antworten zur Umsetzung des Nachteilsausgleichs an beruflichen Schulen.
Der Nachteilsausgleich bezieht sich auf organisatorische, technische und methodisch-didaktische Maßnahmen, die den Betroffenen ermöglichen, ihre individuellen Fähigkeiten abzurufen und dadurch Wege zu dem schulartgemäßen Niveau ebnen; dieses Niveau dann zu erreichen, kann auch Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf oder Behinderungen nicht erlassen werden. Es ist aufgrund des Grundsatzes der Chancengleichheit auch rechtlich geboten, Nachteile von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf oder mit Behinderungen auszugleichen. Damit ist immer eine Einzelfallentscheidung der in der Schule Zuständigen (siehe hierzu auch Frage 2) über die Art und Weise der Hilfen verbunden, etwa in Form von einer Anpassung der Arbeitszeit. Ein generelles Maß gibt es nicht.
Die Maßnahmen zum Nachteilsausgleich kommen zustande aufgrund einer pädagogischen Entscheidung, die allein der Klassen- oder Jahrgangsstufenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters obliegt.
Betroffene Schüler und Eltern werden frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbezogen (Mitwirkungspflicht) und es ist zu empfehlen, den Inhalt des Nachteilsausgleich schriftlich zu dokumentieren. Beispielsweise sollten auch der Fächerbezug, die zeitliche Befristung, die besondere Gültigkeit und Begründung festgehalten werden. Bringen Änderungen beim Betroffenen Auswirkungen für das schulische Lernen mit sich, muss der Nachteilsausgleich erneut angepasst werden.
Die Maßnahmen des Nachteilsausgleich haben bindende Wirkung für die Lehrkräfte. Der Nachteilsausgleich für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf oder mit Behinderungen lässt das Anforderungsprofil des Bildungsganges unberührt (z.B. ändern sich die Aufnahmevoraussetzungen, die Notenbildungsverordnung, die Anforderungsprofile der jeweiligen Fächer und die jeweiligen spezifischen Ausbildungsziele in den beruflichen Schulen nicht).
Insbesondere vor Prüfungen ist zu klären, mit wem genaue Absprachen getroffen werden müssen bzw. die festgelegten Maßnahmen des Nachteilsausgleich kommuniziert werden müssen (z.B. mit der Handwerkskammer in der dualen Ausbildung).
Die Klassen- oder Jahrgangstufenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters entscheidet „ggf. unter Hinzuziehung eines Beratungs- oder Sonderschullehrers, schulischer Ansprechpartner, LRS-Fachberater oder in Ausnahmefällen der zuständigen schulpsychologischen Beratungsstelle“ (aus: VwV des Kultusministeriums „Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen“ vom 08.03.1999, zuletzt geändert am 22.08.2008). Außerdem stehen zur Beratung auch noch die „Autismusbeauftragten für die beruflichen Schulen an den Staatlichen Schulämtern im Auftrag der Regierungspräsidien“, die „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beruflichen Schulen der Arbeitsstelle Kooperation“ und in gut der Hälfte aller beruflichen Schulen die „Sonderschullehrkräfte im Sonderpädagogischen Dienst an beruflichen Schulen“ zur Verfügung.
Die Einbeziehung und/oder Anforderung von weiteren Unterlagen (außerschulische Stellungnahmen oder Gutachten) ist eine Kann-Bestimmung. Aktuelle Gutachten und Expertenmeinungen können zur Hilfe bei pädagogischen Entscheidungen hinzugenommen oder angefordert werden, insbesondere auch, weil sich Krankheitsbilder verändern können. Sofern Gutachten bei pädagogischen Entscheidungen einbezogen werden, wird dennoch letztlich von der Schule aus pädagogischer Sicht geprüft und entschieden, welche Auswirkungen festgestellte Behinderungen oder Beeinträchtigungen in dem besuchten Bildungsgang haben und ggf. welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen.
Ein Nachteilsausgleich bezieht sich im konkreten Einzelfall auf die jeweiligen Voraussetzungen der Schülerin bzw. des Schülers im Hinblick auf den von ihr bzw. ihm besuchten Bildungsgang mit seinem jeweiligen Anforderungsprofil jeweils in den einzelnen Fächern. Ändern sich diese Ausgangsvoraussetzungen oder der Bildungsgang, ist der Nachteilsausgleich wieder neu zu prüfen und ggf. anzupassen.
Die Grenzen liegen im Anforderungsprofil des Bildungsgangs, denn der Nachteilsausgleich lässt das Anforderungsprofil für alle Schülerinnen und Schüler unberührt, auch für die mit besonderem Förderbedarf oder mit Behinderungen. Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung sind aus Gründen der Chancengleichheit und um Täuschungshandlungen vorzubeugen nicht ohne pädagogische Aufsichtsperson der Schule möglich. Dies gilt auch für Nachschreibearbeiten.
Da der Nachteilsausgleich lediglich Beeinträchtigungen ausgleicht, damit diese nicht zu Nachteilen für den Betroffenen führen, wird das Anforderungsprofil nicht herabgesetzt. Alle Schülerinnen und Schüler erfüllen das gleiche Anforderungsprofil, der Grundsatz der Chancengleichheit wird dadurch gewährleistet. Die Beurteilung darüber obliegt der pädagogischen Bewertung durch die Klassen- oder Jahrgangsstufenkonferenz. Da keine Bevorzugung stattfindet, kommt es auch nicht zu einer Benachteiligung anderer Schülerinnen und Schüler.
Ein besonderer Förderbedarf oder ein sonderpädagogischer Beratungs- und Unterstützungsbedarf ist nicht Voraussetzung für einen Nachteilsausgleich. Es liegt allein in der Verantwortung der allgemeinen Schule (siehe Antwort zu Frage 2), Maßnahmen zum Nachteilsausgleich festzulegen.
FAQ Deckung des Förderbedarfs
Häufige Fragen und Antworten zur Deckung des Förderbedarfs
Für Schülerinnen und Schüler mit einem besonderen Förderbedarf (Stufe I des Strukturbilds) liegt die Zuständigkeit bei der Klassen- oder Jahrgangsstufenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters, also bei den allgemeinen (allgemeinbildenden und berufsbildenden) Schulen. Beispiele für Beeinträchtigungen, die einem besonderen Förderbedarf zugrunde liegen können, sind:
Teilleistungsstörungen wie z. B. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom), LRS (Lese-Rechtschreibschwäche), Dyskalkulie, chronische Erkrankungen wie z. B. Epilepsie, Diabetes, Rheuma und psychische Erkrankungen wie z. B. Depression und Psychose und anderes mehr.
Der Sonderpädagogische Dienst wird in der Regel immer nur dann auch noch aktiv, wenn sich zusätzlich ein sonderpädagogischer Beratungs- und Unterstützungsbedarf ergibt, der dann – üblicherweise vorübergehend – subsidiär Leistungen erbringt, damit der Besuch der allgemeinen Schule weiter erfolgreich verlaufen kann.
Eine gewisse Besonderheit weist der Einsatz des „Sonderpädagogischen Dienstes an beruflichen Schulen“ auf. Zur Verhinderung von z. B. Ausbildungsabbrüchen in dualen Ausbildungsverhältnissen können die an den beruflichen Schulen verorteten sonderpädagogischen Lehrkräfte auch im Bereich des besonderen Förderbedarfs unterstützend tätig sein durch Beratung, Diagnostik und Förderplanung. Darüber hinaus haben die beruflichen Schulen, die an der Maßnahme „Individuelle Unterstützung in der Berufsschule - IndUs“ teilnehmen, die Möglichkeit zum Aufbau eines Teams zur individuellen Förderung.
Der sonderpädagogische Beratungs- und Unterstützungsbedarf als Begriff stammt ursprünglich aus dem Strukturbild der gestuften Hilfen und meint die Stufe II (vgl. Landesinstitut für Schulentwicklung Stuttgart: Rahmenkonzeption sonderpädagogischer Dienst, Juli 2017, Seite 2); der sonderpädagogische Beratungs- und Unterstützungsbedarf wird nicht formal festgestellt (wie etwa der „Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot“,der durch das Staatliche Schulamt festgestellt wird.)
Bevor der sonderpädagogische Dienst aktiv wird, hat die Schule die Aufgabe, auf auffällige Leistungshemmnisse und emotional-soziale Instabilitäten zu reagieren. Hierfür steht der jeweiligen Schule ein gestuftes System der Beratung und Unterstützung der allgemeinen Pädagogik zur Verfügung, das in der Regel in seinem gesamten Umfang in Anspruch genommen werden sollte. In einzelnen Fachrichtungen (v.a. Sehen, körperliche und motorische Entwicklung und Hören) ist dieser Vorlauf nicht erforderlich, wenn der Bedarf evident ist.
Erst wenn sich zeigt, dass trotz der Inanspruchnahme dieser Unterstützung immer noch ein erhöhter Beratungs- und Unterstützungsbedarf besteht, wird nach Anhörung der Erziehungsberechtigten und ggf. der betroffenen Jugendlichen über die Hinzuziehung des sonderpädagogischen Dienstes entschieden.
Je nach Förderbereich des Betroffenen und je nach Gegebenheiten der beruflichen Schule kann der sonderpädagogische Beratungs- und Unterstützungsbedarf gedeckt werden durch den „Sonderpädagogischen Dienst der Beruflichen Schulen“ (wenn vorhanden), oder den „Sonderpädagogischen Dienst, der überregional tätig ist für bestimmte Förderschwerpunkte“ (z.B. Hören: Paulinenpflege Winnenden; z.B. Sehen: Nikolauspflege Stuttgart), oder den „Sonderpädagogische Dienst eines Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums“; hier empfiehlt es sich, dass sich die berufliche Schule an das Staatliche Schulamt wendet zur Vermittlung an ein passendes Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum.