Die Schulen in Baden-Württemberg sind zur politischen Ausgewogenheit und Überparteilichkeit verpflichtet, sollen aber den lebendigen Kontakt zu der außerschulischen Wirklichkeit herstellen, wozu auch der Gedankenaustausch mit Abgeordneten gehört. Daneben unterliegt die Schule als Teil der Exekutive der demokratischen Kontrolle des Landtags; auch hieraus können sich Kontakte der Schule zu Abgeordneten ergeben.
1. Der oft missverstandene Begriff der „Neutralität“
Parteien haben das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf chancengleiche Mitwirkung an der politischen Willensbildung und am politischen Wettbewerb. Schülerinnen und Schüler sollen außerdem dazu befähigt werden, sich über Themen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, eine eigene Meinung zu bilden.
Für öffentliche Schulen bedeutet dies, dass sie unterschiedliche Standpunkte darstellen, den offenen Meinungsaustausch fördern und bei Veranstaltungen mit Abgeordneten oder anderen Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik insgesamt auf parteipolitische Ausgewogenheit und Überparteilichkeit achten sollen.
Schulen sind aber keine „wertneutralen“ Orte. Aus den verfassungsrechtlich festgelegten Erziehungs- und Bildungszielen ergibt sich vielmehr der Auftrag, die Schülerinnen und Schüler zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlich-demokratischer Gesinnung zu erziehen.
Deshalb wäre es falsch, die Neutralität so zu verstehen, dass die Lehrkräfte ohne eigene Haltung und Überzeugung auftreten müssen. Die Erziehung zu freiheitlicher Gesinnung ist nur möglich, wenn die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, ihre Werte und ihre Haltung mit einem klaren Kompass und dem unmissverständlichen Einsatz für die Freiheit und Demokratie zu vermitteln.
Äußerungen oder Aktivitäten, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, kann im schulischen Kontext daher kein Raum gegeben werden.
2. Was ist ganzjährig, also auch außerhalb der Karenzzeit, zu beachten?
Pluralistisch besetzte Podiumsdiskussionen:
Die Schülermitverantwortung (SMV) kann außerhalb aber auch während der Karenzzeit öffentliche Diskussionsveranstaltungen mit den Kandidaten der Parteien durchführen. Angesichts der Vielzahl der zu den Wahlen zugelassenen Parteien ist es nicht erforderlich, dass bei jeder Veranstaltung grundsätzlich alle in Betracht kommenden politischen Parteien (bzw. deren Jugendorganisationen) berücksichtigt werden. Sofern bei der Einladung der Kandidatinnen und Kandidaten eine Auswahl getroffen werden muss, hat sich diese an der "Bedeutung" ihrer Partei zu orientieren. Entscheidend für die Bedeutung einer Partei in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung:
- die Ergebnisse "vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen",
- die aktuellen Prognosen beziehungsweise die damit verbundenen konkreten Aussichten für die Wahlen.
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass diese Kriterien nicht nur die bereits im Parlament vertretenen Parteien erfüllen können.
Weitergabe von Post und Weiterleitung von E-Mails
Die Schulleitung ist verpflichtet, verschlossene persönliche Briefe, die an Lehrkräfte, Elternvertretungen, insbesondere Elternbeiratsvorsitzende oder die SMV gerichtet sind, weiterzuleiten. Dies gilt auch für Briefe von Abgeordneten. Diese Grundsätze gelten auch für persönlich adressierte E-Mails, die z.B. in dem zentralen E-Mail-Postfach der Schule oder der Schulleitung mit der Bitte um Weiterleitung eingehen. Die Pflicht zur Weiterleitung von Post gilt allerdings nicht für Postwurfsendungen, Drucksachen, Flugblätter und Ähnliches.
Hinsichtlich der Elternvertretungen ist Folgendes zu beachten:
Der gesetzliche Auftrag der schulischen Elternmitwirkung nach §§ 55 ff. SchG bezieht sich in der Klassenpflegschaft (Elternabend) auf die Ebene der Klasse, im Elternbeirat auf die Ebene der Schule. Das Sammeln von Unterschriften für ein landespolitisches Anliegen kann deshalb nicht Gegenstand eines Elternabends oder einer Elternbeiratssitzung sein. Gremien der öffentlichen Schulen sind nicht der Ort für das Sammeln von Unterschriften. Natürlich steht es den Eltern frei, sich untereinander zu vernetzen und auf allen Kanälen für ihr Anliegen zu werben, soweit sie dafür nicht „die öffentliche Schule“ bzw. die Elternmitwirkung nutzen. Für Schulen bedeutet dies, dass die gebotene Neutralität einer Weitergabe von Unterschriftenaktionen und Petitionen an Eltern oder gar Schülerinnen und Schüler entgegensteht.
Anfragen von Abgeordneten:
Abgeordnete können direkt bei den Schulen Informationen einholen. Bei politisch bedeutsamen Vorgängen kann sich das Kultusministerium die Beantwortung vorbehalten. In diesen Fällen beantwortet die Schule die Fragen des Abgeordneten nicht und dessen Informationsrecht wird gewahrt, indem das Kultusministerium die erbetenen Informationen gibt. Die Schulen sind nicht verpflichtet, auf Grund von solchen Anfragen zusätzliche Statistiken zu erstellen.
Programm „Schulbesuch vom Landtag“:
Schulbesuche der Präsidentin bzw. Vizepräsidenten des Landtags im Rahmen dieses Programms sind außerhalb aber auch während der Karenzzeit zulässig, da hierbei deren überparteiliche Funktion im Landtag und die sachliche Information der Schülerinnen und Schüler über die Arbeit des Landtags im Vordergrund stehen.
Überlassung von Schulräumen:
Die Schulträger können den Parteien Schulräume für Veranstaltungen außerhalb der Unterrichtszeit überlassen.
3. Was ist in Wahlkampfzeiten zu beachten?
In der Vorwahlzeit kommt dem Gebot zur politischen Ausgewogenheit und Überparteilichkeit in der Schule besondere Bedeutung zu. Deshalb bittet Sie das Kultusministerium vor Wahlen eine achtwöchige Karenzzeit einzuhalten.
Während der Karenzzeit gelten zusätzlich folgende Einschränkungen:
- Abgeordnete dürfen als Fachleute auch dann nicht in den Unterricht eingeladen werden, wenn es sich um eine Veranstaltung des kontinuierlichen Unterrichts handelt, für den die Lehrkräfte verantwortlich bleiben.
- Die Möglichkeit der Abgeordneten des Wahlkreises und Gremien des Landtags im Rahmen ihrer demokratischen Kontrollbefugnis Schulen zu besuchen, um sich vor Ort zu informieren, besteht während der Karenzzeit nicht. Sie können in dieser Zeit mit der Schulleitung, mit Lehrkräften und Eltern oder den Schülervertretern keine Gespräche und keine presseöffentlichen Veranstaltungen durchführen. Die unter Nummer 2 genannten Veranstaltungen fallen nicht darunter und können unabhängig davon durchgeführt werden.
- Einladungen von Fraktionen des Landtags zu Fraktionsveranstaltungen dürfen während der Karenzzeit nicht an Schülerinnen und Schüler, Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen verteilt werden.
Wahlwerbungsverbot mit Broschüren des Kultusministeriums
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg gibt im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit Informationsschriften heraus. Diese dürfen weder von Parteien noch von deren Kandidatinnen, Kandidaten oder Helferinnen und Helfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden.
Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung bei Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch, die Broschüren an Dritte zur Verwendung bei der Wahlwerbung weiterzugeben. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl dürfen Druckschriften nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausgebers zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist.