Weiterbildung

Grundbildung vermittelt Chance zu beruflichem Aufstieg

Mit der Förderung von Grundbildungszentren unterstützt das Kultusministerium gering literalisierte Erwachsene dabei, ihre Chancen auf der Arbeitsmarkt zu verbessern.

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Eine Person schreibt mit einem Kugelschreiber in ein Notizbuch

Das Kultusministerium will mit der Förderung von Grundbildungszentren (GBZ) die Chancen gering literalisierter Erwachsener auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Kultusministerin Theresa Schopper gab heute die acht GBZ bekannt, die in einer neuen zweiten Förderperiode von 2025 bis 2027 im Land unterstützt werden. Sie zog gemeinsam mit Christina Obergföll, frühere Speerwurf-Weltmeisterin und Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung, sowie Professor Ilka Koppel von der PH Weingarten, eine positive Bilanz der ersten Förderperiode von 2022 bis 2024.

„Die Alphabetisierung und Grundbildung im Land wird immer wichtiger, um Erwachsenen eine erhöhte Grundbildung zu vermitteln und ihre Chancen zum Erhalt ihres Arbeitsplatzes und beruflichen Aufstieg zu verbessern“, erklärte die Ministerin. Nach neuesten Forschungen der OECD ist der Anteil der gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland innerhalb von zehn Jahren von 17 auf 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung gestiegen.

„Menschen mit geringer Literalität stehen oft vor Hürden, wenn es darum geht, an einer Gesellschaft teilzuhaben – insbesondere, wenn sie sich in einem digitalen Transformationsprozess befindet. Deshalb ist es umso entscheidender, ihnen in den GBZ gezielte Möglichkeiten zur digitalen Weiterbildung zu eröffnen“, sagt Professor Ilka Koppel.

Denn in vielen Fällen werden auch einfachste Informationen aus kurzen Texten nicht verstanden. Betroffen sind sowohl Erwachsene mit Deutsch als Erstsprache als auch Menschen mit Migrationsgeschichte. „Ich hätte nie gedacht, wie viele Menschen bei uns nicht ausreichend lesen und schreiben können und wie groß der Bedarf an Grundbildung wirklich ist. Aber ich habe an den acht GBZ auch gesehen und gelernt, wie sehr sich viele in Lernangeboten reinhängen, um privat oder beruflich neu starten zu können“, erklärte Christina Obergföll.

Niederschwellige Lernangebote

Das Kultusministerium fördert die GBZ seit 2022 in zwei dreijährigen Perioden bis 2027 mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes. Die zweite Förderperiode ab Jahresanfang 2025 umfasst 2,4 Millionen Euro ESF- und 0,6 Millionen Euro Landesmittel. Zusätzlich zu den zwei neu begonnenen GBZ Karlsruhe und Ludwigsburg wird die Förderung der GBZ in Mannheim, Offenburg, Rastatt, Schwäbisch Gmünd, Stuttgart und Ulm fortgesetzt. Die acht Grundbildungszentren im Land sind bei Weiterbildungsträgern angesiedelt, davon fünf bei Volkshochschulen und drei bei freien Trägern. Bundesweit sind insgesamt über 60 GBZ vorhanden.

Sie haben zum einen die Aufgabe, Erwachsenen mit Schriftsprachproblemen besonders niederschwellige Lernangebote zu machen. Zum anderen sollen sie Einrichtungen wie Jobcenter, Tafelläden oder Unternehmen in ihrem Netzwerk einbeziehen, um die Zielgruppe dadurch für Lernangebote zu erreichen. Die GBZ sind offen in der Gestaltung ihrer Lernangebote und dadurch besonders geeignet, das häufig vorhandene Tabu insbesondere bei gering literalisierten Menschen mit Deutsch als Heimatsprache zu überwinden. Erwachsenen mit Migrationsgeschichte werden Lernangebote unterbreitet, um ihr Sprachniveau im Abschluss an Integrationskurse zu verbessern.

Zusammenarbeit mit Jobcentern

Die Grundbildung umfasst neben Lesen, Schreiben und Rechnen die wichtigsten Lebensbereiche, etwa auch eine arbeitsorientierte, digitale, politische oder gesundheitliche Grundbildung je nach Möglichkeit vor Ort. So geht es etwa um Bewerbungstraining und Berufsorientierung. Das Kultusministerium strebt an, dass die GBZ die Zusammenarbeit mit Jobcentern und Arbeitsagenturen ausbauen und gering literalisierten Erwachsenen neue Chancen für den Arbeitsmarkt ermöglichen. So bietet das GBZ Mannheim einen Kurs in einem Pflegeheim an, um die Schriftsprachkompetenz von zehn Mitarbeiterinnen zu verbessern. Benutzt werden Texte und Formulare aus dem Arbeitsalltag, die eine direkte Anwendung am Arbeitsplatz ermöglichen. „Es geht bei den Grundbildungszentren um viel mehr als um Lesen und Schreiben, sondern wir wollen mit diesen Lernangeboten vor allem die Berufschancen der Teilnehmenden deutlich verbessern“, unterstreicht Ministerin Schopper.

Auch digitale Module fließen in den Unterricht ein, da das Kultusministerium die GBZ im Rahmen der Weiterbildungsinitiative WEITER.mit.BILDUNG@BW digital ausgestattet hat. „Menschen mit geringer Literalität haben nur wenige Möglichkeiten, sich aktiv an der digitalen Transformation zu beteiligen. Umso wichtiger ist, ihnen in den GBZ die Chance zu bieten, sich auch digital fortzubilden“, sagt Professorin Ilka Koppel, Expertin für digitale Grundbildung an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.

Das Kultusministerium und die Träger ziehen ein positives Fazit über die Arbeit der GBZ in den vergangenen drei Jahren. „Für die Grundbildung am Standort Mannheim ist das Grundbildungszentrum ein immenser Gewinn. Der Titel des GBZ öffnet die eine oder andere Tür zu Behörden oder Kooperationspartnern etwas leichter, die Förderung von Land und ESF betont die Seriosität unserer Arbeit“, bemerkt die Abendakademie Mannheim zu der Arbeit ihres GBZ. „Die arbeitsorientierte Grundbildung wird in den kommenden Jahren einer der Schwerpunkte in der Erwachsenenbildung sein. Allein schon durch den Fachkräftemangel müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen, geringer qualifizierte Erwachsene weiterzubilden“, unterstreicht die Ministerin.

Gesamtförderung der GBZ

Die Gesamtförderung durch den ESF beträgt von 2022 bis 2027 rund 4,4 Millionen Euro, durch das Land 1,2 Millionen Euro. 1. Förderperiode: 2022-2024: 2 Mio. Euro ESF-, 0,6 Mio. Landesmittel, 2. Förderperiode: 2025-2027: 2,4 Mio. ESF-, 0,6 Mio. Euro Landesmittel.

Erkenntnisse der Wissenschaft:

Die im Dezember 2024 veröffentlichte PIAAC-Studie der OECD unterstreicht die Ergebnisse der 2018 publizierten Leo-Studie der Universität Hamburg. Rund ein Fünftel der Erwachsenen in Deutschland verfügt über nur geringe Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen und geringe Fähigkeiten zum adaptiven Problemlösen. Für die Lesekompetenz bedeutet das: auch einfachste Informationen aus kurzen Texten werden nicht verstanden. Laut Leo-Studie sind rund 60 Prozent der Betroffenen erwerbstätig. Viele arbeiten in sogenannten Helferjobs als An- oder Ungelernte.

Ergebnisse der GBZ:

Nach den bisherigen Ergebnissen weisen die GBZ eine sehr große Nachfrage bei Teilnehmenden auf. So umfasst das GBZ Ortenau zwischen 2022 und 2024 in fast 150 Kursen über 1.000 Anmeldungen von Teilnehmenden.