FAQ
Mit der Änderung des Schulgesetzes zum 01.08.2015 wurde
- die Pflicht zum Besuch der Sonderschule aufgehoben;
- die Einrichtung inklusiver Bildungsangebote zur Aufgabe aller Schularten;
- das Wahlrecht der Eltern im Hinblick auf den schulischen Lernort für ein Kind mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot eingeführt;
- die Steuerungsfunktion der Schulverwaltung (Schulangebotsplanung, Bildungs-wegekonferenz, Berufswegekonferenz) gestärkt.
Die Sonderschulen bekamen den Auftrag, sich zu sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren weiterzuentwickeln.
Die Eltern eines Kindes mit festgestelltem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot können wählen, ob der Anspruch im Rahmen eines inklusiven Bildungsangebots an einer allgemeinen Schule oder an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum eingelöst werden soll. Um ihnen für ihre Wahl eine gute Grundlage zu geben, werden die Eltern nach Feststellung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot umfassend hinsichtlich der für ihr Kind möglichen Bildungsangebote an allgemeinen Schulen und sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren beraten. Der elterliche Erziehungsplan ist handlungsleitend für die Schulverwaltung. Wünschen die Eltern ein Bildungsangebot an einer allgemeinen Schule, ist vom Staatlichen Schulamt eine Bildungswegekonferenz durchzuführen.
Die Bildungswegekonferenz hat neben der Beratungsaufgabe zugleich auch eine Steuerungsfunktion. Der Klärung des Einzelfalls in der Bildungswegekonferenz gehen eine intensive Beratung und ein Klärungs- und Abstimmungsprozess sowie eine raumschaftsbezogene Schulangebotsplanung in Bezug auf inklusive Bildungsangebote voraus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bildungswegekonferenzen haben die Aufgabe, unter Berücksichtigung der von allen beteiligten Partnern herstellbaren Möglichkeiten, den zukünftigen Lernort für ein Kind mit festgestelltem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot möglichst einvernehmlich vorzuschlagen.
Die Bildungswegekonferenz wird vom Staatlichen Schulamt durchgeführt. Die Zusammensetzung einer Bildungswegekonferenz ist vom Einzelfall abhängig. Neben den Erziehungsberechtigten und den beteiligten Schulen werden z. B. auch die kommunalen Schulträger sowie weitere Kosten- und Leistungsträger beteiligt, sofern sie von der Entscheidung der Bildungswegekonferenz betroffen sind bzw. betroffen sein können.
Die Schulaufsichtsbehörde stellt auf der Grundlage der Ergebnisse einer sonder-pädagogischen Diagnostik fest, ob ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot besteht. Das Verfahren zur Prüfung und Feststellung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot wird in der Regel auf Antrag der Erziehungsberechtigten eingeleitet. Bei Vorliegen konkreter Hinweise darauf, dass dem individuellen Bildungsanspruch der Schülerin oder des Schülers ohne ein
sonderpädagogisches Bildungsangebot nicht entsprochen werden kann, kann die Prüfung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot auch von der Schulaufsichtsbehörde eingeleitet werden. Die allgemeine Schule wirkt daran jeweils mit.
Die Eltern haben die Möglichkeit, gegen eine von ihrem konkreten Wunsch abweichende Festlegung des Lernorts durch das Staatliche Schulamt Widerspruch einzulegen.
Die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) bieten Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, der schulischen Bildung und an der Schnittstelle zur beruflichen Bildung an und beteiligen sich an der Entwicklung entsprechender Angebote bzw. Angebotsstrukturen in einer Region. Gleichzeitig halten sie eigene Bildungsangebote vor, damit den Erziehungsberechtigten eine Wahlmöglichkeit gegeben werden kann. Raumschaftsbezogen ist dabei sicherzustellen, dass die Bildungsangebote - unabhängig vom Lernort - qualitativ vergleichbar sind. Dies bedeutet, dass sich die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren über die verschiedenen Förderschwerpunkte hinweg abstimmen, um bedarfsbezogen inklusive Bildungsangebote unterstützen zu können. Gemeinsame Angebote von sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren und beruflichen Schulen sowie die kooperativen Organisationsformen sind schulgesetzlich verankerte Bausteine der Arbeit sonderpädagogischer Bildungs- und Beratungszentren.
Auch allgemeine Schulen in freier Trägerschaft können Schülerinnen und Schüler
mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot aufnehmen. Im Privatschulgesetz sind die Zuschüsse für inklusive Bildungsangebote an freien Schulen geregelt.
Auf allen Ebenen der Lehrkräftefortbildungen werden Veranstaltungen mit dem Themenschwerpunkt Inklusion angeboten. Diese richten sich an Lehrkräfte aller allgemein bildenden und beruflichen Schulen. Sie umfassen sowohl Schulentwicklungs- als auch Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen, die Entwicklung einer inklusiven Unterrichtspraxis, auch mit Blick auf den zieldifferenten Unterricht, und bereiten auf die Zusammenarbeit mit inner- und außerschulischen Unterstützungspartnern vor. Die Fortbildungsmaßnahmen decken somit ein breites Themenspektrum ab und beziehen auch Hospitationsangebote ein. Neben methodisch-didaktischen Kompetenzen geht es in diesen Fortbildungen auch um Fragen der Haltung und Einstellung zu den pädagogischen Herausforderungen, die sich im Rahmen inklusiver Bildungsangebote stellen.
Mit der Reform der Lehrerbildung an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten/ Musikhochschulen/ Kunsthochschulen und an der Hochschule für Jüdische Studien zum Wintersemester 2015/16 wurden für alle Lehramtsstudierenden der Bachelor-Master-Studiengänge Module zu Grundfragen der Inklusion eingeführt. In allen Lehrämtern können seither optionale Vertiefungsfächer aus dem Bereich der Sonderpädagogik gewählt werden. Des Weiteren besteht für Studierende aller Lehrämter die Möglichkeit, eine sonderpädagogische Fachrichtung als Erweiterungsfach zu studieren. Der grundständige Lehramtsstudiengang Sonderpädagogik wurde im Hinblick auf die Arbeit in inklusiven Bildungsangeboten entsprechend angepasst. Die Vorbereitungsdienste an den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung sowie die Ausbildung an den Pädagogischen Fachseminaren qualifizieren angehende Lehrkräfte für den Umgang mit Heterogenität und bereiten sie auf die Erfordernisse eines Unterrichts für Schülerinnen und Schüler mit und ohne einen Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot vor. Im Vorbereitungsdienst der Lehrämter aller Schularten sind die Themen Lernstandsdiagnose und individuelle Förderung in den Ausbildungsstandards für Pädagogik und für die Fachdidaktiken festgeschrieben.
Erfahrungen zeigen, dass inklusive Bildungsangebote – insbesondere im zieldifferenten Unterricht – am besten über gruppenbezogene Angebote erreicht werden können. In dieser Organisationsform gelingt es am besten, die Interessen und Bedürfnisse dieser Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen und die hierfür notwendigen sonderpädagogischen Ressourcen in entsprechendem Umfang zur Verfügung zu stellen.
Das Zwei-Pädagogen-Prinzip steht für die Zusammenarbeit einer allgemeinen und einer sonderpädagogischen Lehrkraft in einem inklusiven Bildungsangebot. Dies wird vornehmlich beim zieldifferenten Unterricht für die überwiegende Dauer des Unterrichts angestrebt. Es lässt sich in der Regel nur bei gruppenbezogenen Angeboten realisieren.
Bereits vor der Schulgesetzänderung zum 1. August 2015 konnten Schülerinnen und Schüler mit Behinderung allgemeine Schulen besuchen, wenn sie deren Bildungsziele erreichen konnten (zielgleicher Unterricht). Seit der Schulgesetzänderung können Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot auch dann eine allgemeine Schule besuchen, wenn sie die jeweiligen Bildungsziele dieser allgemeinen Schulen nicht erreichen können (zieldifferenter Unterricht). Dies gilt für die Primarstufe und die Sekundarstufe I. Im Falle einer zieldifferenten Inklusion besteht die gesetzliche Vorgabe, dass ein inklusives Bildungsangebot grundsätzlich gruppenbezogen² zu organisieren ist. Diese Organisationsform ist auch bei zielgleicher Inklusion - wenn möglich - anzustreben.